Die Grünbrücke

Sicher eine Autobahn überqueren

Wenn sich Wildtiere im Pfälzerwald auf Wanderschaft begeben und sei es auf nur um etwas Fressbares zu finden, dann stoßen sie auf ihrer Wegstrecke unweigerlich auf das eine oder andere Hindernis. Die modernen Flüsse unserer Zeit, die auch Deutschlands größtes zusammenhängendes Waldgebiet zerschneiden, heißen Autobahn. Mindestens vier – manchmal auch sechsspurig bilden sie eine geradezu unüberwindliche Barriere. Eine durchschnittliche „Fließgeschwindigkeit“ von 90 bis 130 km/h (wenn ’s mal nicht gerade staut) und das üblicherweise hohe Verkehrsaufkommen, lässt sie für alles, was keine Flügel hat oder nicht hoch genug fliegt zur sicheren Todesfalle werden.

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Foto: © IPP

Ein Mittel zur Verminderung dieser von Menschen gemachten Landschaftszerschneidung durch Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnstrecken ist die Grünbrücke. Damit diese gefahrlosere Überquerungsmöglichkeit von den Wildtieren angenommen und auch wirklich genutzt wird, müssen beim Bau einer solchen Spezialbrücke bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt werden. Die wichtigste Grundvoraussetzung für einen optimalen Standort ist die Anbindung an einen bereits bekannten Wildwechsel. Eine Breite von mindestens 50 m, ein grüner Sichtschutz aus Hecken oder Jungbäumen an den Seiten und eine mit Stauden und Gras bepflanzte Brückenfläche sollen für eine natürliche und vertraute Optik sorgen. Um einen gewissen Sogeffekt zu erzielen, werden ein großzügiges Zaunleitsystem angelegt und Lockstöcke (z.B. für die Wildkatze) aufgestellt. Im Schnitt kostet eine solche Anlage mindestens 3 Mio. Euro. Viel zu teuer und völlig unnötig wird manch ein Autofahrer denken, wenn er oder sie unter einer Grünbrücke hindurch fährt. Aber man sollte nicht vergessen, dass solche Maßnahmen vor Ort dabei helfen die Zahl der Wildunfälle, die auch für den Verkehrsteilnehmer tödlich enden können, zu reduzieren. Im gesamten Pfälzerwald gibt es derzeit zwei Grünbrücken – bei Wattenheim über die A6 in Richtung Kaiserslautern/Saarbrücken und bei Walmersbach zwischen Ruppertsweiler und Hinterweidenthal über das vierspurige Teilstück der B10 in Richtung Pirmasens.

Die Wattenheimer Grünbrücke an der A6 wurde im Oktober 2011 nach nur 2 1/2 jähriger Planungs- und Bauzeit „in Betrieb“ genommen. Sie verbindet die 250 km² große Nordspitze mit den restlichen 3000 km² des Pfälzerwaldes. Um festzustellen welche Tierarten von diese Art der Überquerung Gebrauch machen wurden Infrarot Fotofallen und Videokameras installiert. Bereits im ersten Jahr registrierte man, laut Bericht der Forschungsgesellschaft für Waldökologie und Forstwirtschaft, mehr als 800 Wildtiere auf der Grünbrücke. Die häufigsten Nutzer waren Füchse, Rehe, Marder und Wildschweine. Aber auch Dachse, Damwild und (Wild)katzen wurden von den Kameras erfasst. Erstmals wurde Ende 2012 ein Rothirsch bei der Überquerung fotografiert.

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Grünbrücke Wattenheim
Foto: © IPP

Natürlich sollte die Nutzung einer Grünbrücke durch den Menschen absolut tabu sein. Deshalb fehlt es auch nicht an entsprechenden Warn- und Hinweisschildern. Leider überqueren immer wieder Wanderer und sogar Mountainbiker die Wattenheimer Grünbrücke, was eindeutige Bilder der Videokameras und Fotofallen belegen. Warum eigentlich? Des besonderen Kicks wegen, aus mangelndem Lesevermögen oder einfach nur aus Bequemlichkeit? Leider ziehen solche Verstöße kaum rechtliche Folgen nach sich, denn schließlich hinterlässt keiner der invasiven Überquerer seine Visitenkarte. Ebenso ist es unmöglich die Anlage vor Ort durch Wachpersonal fortwährend unter Beobachtung zu stellen, denn das würde den eigentlichen Sinn und Zweck einer Grünbrücke ad absurdum führen. So bleibt dieses Problem mit steigender Tendenz weiterhin bestehen.

Auch in Zukunft wird der Bau von Grünbrücken im Pfälzerwald ein wichtiges Thema sein. Der geplante vierspurige Ausbau der B10 wird das Biosphärenreservat weiter erheblich zerschneiden und damit den Lebensraum zahlreicher Wildtierarten einschränken. Deshalb ist umso wichtiger für weitere gefahrlose Übergänge zu sorgen, auch wenn manch einer den Nutzen gegenüber den Kosten in Zweifel ziehen sollte. Die Sicherheit des täglichen Pendel- und Transitverkehrs sollte uns allen diesen Aufwand einfach wert sein.

(ds)

(IPP-Magazin I-2016)