Verkehrte Welt

Erst Absichtserklärung – dann Bürgerbefragung

Blick vom Luitpoldturm Richtung Kalmit

Blick vom Luitpoldturm Richtung Kalmit

Unsere Landesregierung hat eine Absichtserklärung vorbereitet, die von den Bürgermeistern der beteiligten Kommunen – nach Absprache mit deren Räten – unterschrieben werden soll; Mitunterzeichner ist außerdem das Umweltministerium unter Federführung von Staatssekretär Thomas Griese. Es geht um den geplanten Windindustriepark mit über 40 Windrädern im zentralen Pfälzerwald zwischen Leimen (Kreis Südwestpfalz) und Eußerthal (Südliche Weinstraße). Die Absichtserklärung besagt unter anderem, dass die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Genehmigungsgrundlagen möglichst zügig und in enger Abstimmung miteinander durchzuführen sind. In „enger Abstimmung“ bedeutet dabei wahrscheinlich vor allem: Druck von seiten des Ministeriums, das das Projekt ja durchsetzen will!

Die von Staatssekretär Griese im April versprochene Bürgerbefragung soll es jedoch frühestens 2015 geben. Der Einwand des Annweiler Verbandsbürgermeisters Kurt Wagenführer: „Ich kann ja keine Befragung zu einem Projekt machen, dass noch gar nicht konkret ist“ *1 hört sich oberflächlich betrachtet sehr vernünftig an. Wirtschaftlichkeitsberechnungen und ein Flächennutzungsplan stünden noch aus. Für eine Absichtserklärung, die es in sich hat, soll die Datenlage aber ausreichend sein … Hier scheint es doch mehr darum zu gehen schnell Tatsachen zu schaffen!

Wie Jürgen Müller von der Rheinpfalz, die am 26.08.14 das Thema aufgreift, schreibt: Wer die Absichtserklärung unterschreibt, wird aus der Sache kaum mehr herauskommen. Der Entwurfstext spricht eine eindeutige Sprache.“

Was soll am Ende eines solch hektisch vorangetriebenen Prozesses noch eine Bürgerbefragung – und um was geht es hier eigentlich?

Dass es im Pfälzerwald nur wenig weht, hat der Windatlas (siehe auch nächster Beitrag) erneut bestätigt. Die vor kurzem abgeschlossenen Messungen auf dem Taubensuhl haben auch nicht das erhoffte Ergebnis erbracht. *2  Dass der Landschaftsverbrauch enorm sein wird, ist klar und auch die vielen anderen Nachteile bei Standorten im Wald sind hinlänglich bekannt. Speziell beim Pfälzerwald steht zudem der Status als Biosphärenreservat auf dem Spiel!

Diese Fakten reichen alle mal aus, um eine Bürgerbefragung zu starten! Die Befragung, das sei noch bemerkt, schreibt das UNESCO-Programm in solchen Fällen sogar vor, von einer „großzügigen“ Selbstverpflichtung, die Bevölkerung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus an den Entscheidungen zu beteiligen, kann also keine Rede sein. Stünde diese also am Anfang, würden bei negativem Votum – das nach Wagenführer bindend ist *3 – nicht unnötig (Steuer-)Gelder für weitere Planungen verschwendet. Steht sie am Ende – verkommt sie zur Farce!

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Rahnfels

Außerdem ist es nicht ausreichend, ausschließlich die Bürger der nur vorerst! direkt betroffenen Kommunen in der Südwestpfalz zu befragen. Ebenso wenig sollten natürlich deren Bürgermeister die Möglichkeit haben, quasi alleine – durch Unterzeichnen der Absichtserklärung – über die Zukunft des Biosphärenreservates zu entscheiden. Ist der erste Windpark im Pfälzerwald erst mal abgesegnet, werden bald weitere Standorte folgen.
Über die Zukunft des Pfälzerwaldes, der als Einheit gesehen werden muss (allein schon wegen der drohenden Aberkennung als Biosphärenreservat) haben nicht nur wenige Gemeinden abzustimmen, sondern die gesamte ortsansässige Bevölkerung des Biosphärenreservates. Diese müsste zudem brieflich aufgefordert und informiert werden!

Aber wie das Prozedere überhaupt ablaufen soll, scheint bisher nicht ausgearbeitet zu sein. Die Absichtserklärung – vorformuliert vom Ministerium *4 – schon. Womit wir wieder bei der „verkehrten Welt“ wären …

… zum Schluss noch was zum Schmunzeln. In der Absichtserklärung ist auch folgende „rührende“ Aussage enthalten: Der dort produzierte Strom solle in erster Linie den Haushalten und Unternehmen der Region zur Verfügung stehen. „Was natürlich Blödsinn ist“ wie Sebastian Böckmann von der Rheinpfalz (30.08.14) schreibt. „Der Bürger kann sich seinen Strom nicht von Langer Kopf, Christelseck oder Taubensuhl abholen, er geht ganz einfach ins Netz. Weil das Ministerium das natürlich auch weiß, steht bei dieser Absichtserklärung die Einschränkung „soweit technisch möglich“ dabei. Wer soll denn mit solchen Vereinbarungen für dumm verkauft werden ?,  fragt sich“  –  Ja, wer?

Ulla Kern

*1 Rheinpfalz, 26.08.14
*2 Deshalb sollen WEA mit einer Nabenhöhe von 149 und einer Gesamthöhe von über 200 Metern gebaut werden, was natürlich die Kosten weiter in die Höhe treibt.
*3 Wagenführers Kollege, der Rodalber Verbandbürgermeister Werner Becker traut dieser Aussage nicht so ganz und führt ein Beispiel an, wo es anders abgelaufen ist (Rheinpfalz, 26.08.14). Der Stadtrat von Rodalben hat sich im übrigen Mitte Mai gegen Windräder im Pfälzerwald ausgesprochen.
*4 Der zugegeben überspitzte Vergleich sei erlaubt: Eines Tages klopft jemand an unsere Tür: „Ich möchte unbedingt und möglichst sofort ihr Haus kaufen. Dabei habe ich die und die Forderungen, mein Anwalt hat diesbezüglich schon mal einen Text verfasst. Sie müssen diesen nur hier unterschreiben – später können sie dann ja ihre Familie fragen.“ Einige Zeit nachdem ich unterschrieben habe wird mir leider klar, dass ich unbeabsichtigterweise nicht nur unser Haus, sondern gleich das ganze Dorf veräußert habe …

„Zurück zum Text“

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Lt. UNESCO besitzt das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen eine beeindruckende biologische Vielfalt von besonders hohem ökologischen Wert.


Windatlas und Windkraftstandorte im Wald

3 Fragen an Eveline Lemke

Das Land Rheinland-Pfalz hat 2013 einen Windatlas erstellt. Ziel sei es, so betont die Wirtschaftsministerin  in „drei Fragen an Eveline Lemke“: wenige Windkraftanlagen konzentriert an effizienten Standorten (sprich vor allem hohe Windhöffigkeit) zu errichten. Bei der dafür notwendigen Auswahl – von auch wirtschaftlich sinnvollen Standorten – soll der Windatlas als Entscheidungshilfe dienen. Dieser Windatlas besagt, dass im Pfälzerwald nur eine geringe Windhöffigkeit vorzufinden ist. Außerdem spricht Lemke, der die Problematik von WKAs in Wäldern bewusst ist, vom „Wald minderer Qualität“, der bevorzugt ausgewählt werden soll.

Bei dem grenzüberschreitenden Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen als größtem zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands (und damit eben als Einheit zu betrachten) kann sicher nicht von Wald minderer Qualität gesprochen werden!

Die Anerkennung als Biosphärenreservat zu gefährden, um an windschwachen Standorten Windkraftanlagen aufzustellen, ist meiner Ansicht nach absurd und steht im klaren Widerspruch zu dem, was Lemke selbst betont!

3 Fragen an Eveline Lemke: Windatlas (Wo weht der Wind?)

3 Fragen an Eveline Lemke: LEP IV (Windkraft im Wald)

Ulla Kern