Natur – psychologisch – soziologisch


Redakteur:  Rudolf Ahrens-Botzong  (rab)

Kontakt: arboribus@t-online.de


Die Beiträge in dieser Rubrik sollen unser Verhältnis zur Natur ausleuchten.

Aus verschiedenen Quellen:

Die hier ausgewählten Zitate bieten keine Darstellungen dessen, was die zitierten Autoren in ihren Veröffentlichungen aussagen wollten. Diese Zitate sind als Aphorismensammlung zu verstehen, ausgewählt aus der Sicht des Redakteurs. Sie sollen zum Nachdenken anregen.

Mit dem Zweifel, der der beste Lehrmeister ist, wäre schon viel gewonnen: manches bliebe ungesprochen.

Karl Kraus, Die Sprache, S. 8

Wenn man merkt, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Diese Regel ist sehr beliebt, weil Jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt.

Arthur Schopenhauer, Die Kunst zu beleidigen

Ob er will oder nicht, ist der Mensch mit der Natur konfrontiert.

Natur und Zivilisation schienen eine Zeitlang unvereinbare Gegensätze. Wie stark aber jegliche Kultur und Zivilisation auf die ‚Freie Natur‘ angewiesen sind, wurde zum Beispiel in der asiatischen Kultur früher weniger vergessen als in den christlich-abendländischen Anschauungen.

dtv-Atlas zur Psychologie, Band 2, S.335

Ein Wort oder Bild ist symbolisch, wenn es mehr enthält, als man auf den ersten Blick erkennen kann. Es hat dann einen weiteren ‚unbewussten‘ Aspekt, den man wohl nie ganz genau definieren kann … denn die Psyche kann ihre eigene psychische Substanz nicht erkennen.

C. G. Jung et al. , Der Mensch und seine Symbole,  S. 21

Eine ungehemmte Tendenz zum bloßen Geordnetsein führt zur Verärmlichung und schließlich zu dem allerniedrigsten Strukturniveau, das nicht länger klar von gänzlicher Ordnungslosigkeit zu unterscheiden ist.

Rudolf Arnheim, Entropie und Kunst – Ein Versuch über Unordnung und Ordnung, S. 70 

So gesehen stand der Mensch bei den Griechen nicht etwa als geistiges Wesen ‚außerhalb der Natur‘, sondern er war eingeordnet und eingebunden in die physis.
Das griechische Wortphysis wurde von den Römern mit natura übersetzt und erfuhr damit zugleich einen Bedeutungswandel: So wurde einseitig der Aspekt des Entstehens hervorgehoben und zugleich dem Entstehen der Charakter von etwas Sachlichem zugeschrieben.

Thomas Bargatzky, Einführung in die Kultur-Ökologie, S. 16

… dass die Umgestaltung der Natur durch die Produktion gesellschaftlichen Charakter gewinne und dadurch in die Austragung menschlicher Interessensgegensätze …
Produktion umfasst Technik,Arbeitsorganisation und Ideologie und bezeichnet daher jene menschliche Tätigkeit, die quasi das ‚Gelenkstück‘ ist, an dem Natur, wirtschaftliches Handeln und Wertvorstellungen ineinandergreifen.

ibid., S. 14 f

Der moderne Naturbegriff ist, vergleichbar mit dem Begriff „Gesellschaft“, eine Synthese, die eine „Einheit in der Vielfalt sehr unterschiedlicher Dinge“ konstruiert.

Die Beschreibung und Analyse des Naturbewußtseins und des Naturerlebnisses bleibt einer der Zugangswege zum Verständnis der kollektiven Bewußtseinsprozesse, auch in der Moderne.

Albrecht Lehmann, Von Menschen und Bäumen, S. 295 ff
(Hervorhebungen rab)

… so dass aus der Perspektive des ökologischen Umbaus das Subjekt zum passiven Realisator vorgegebener ökologischer Notwendigkeiten reduziert wird.

Ästhetik ist neben Philosophie undein eigenständiger Erkenntnisweg und als solcher wie die letzteren univeral …

Boje Maaßen, Naturerleben, S. 2 und 21

Das Insistieren auf der Erhaltung der sogenannten Natur, insbesondere in unserer städtischen Umwelt, ist nicht Ausdruck eines rückwärts gewandten, obsolet gewordenen mystischen Denkens, auch nicht einer diffusen Sentimentalität, wie es einem überaktiven Täter gelegentlich ankommen mag, sondern gründet … auf berechtigter, wissenschafttlich begründeter Skepsis gegenüber allzu raschen, scheinbar rationalen, aber in Wahrheit neue Irrationalitäten produzierten Umweltveränderungen …

Hans Paul Bahrdt in Landschaftswahrnehmung und Landschaftserfahrung, S. 190

Diese Kategorisierungsneigung, die fließende Übergänge in diskrete Einheiten gliedert, erinnert sehr an den allgemeinen Hang zu Kontrastverstärkung und zur Konstanzwahrnehmung.

Es ist auch funktionell vorteilhaft, Werte und Un-Werte als die deutlichsten Gegensätze zu empfinden, die es gibt.

Das größte Hindernis vor einem zukunftsträchtigen Wertesystem ist: unser Wertesystem.

Bernhard Verbeek, Die Anthropologie der Umweltzerstörung, S. 155, 166
(Hervorhebungen rab)

 

In der neuen Landschaft wird daher nicht nur der zivilisatorische Gegensatz von Stadt und Land, sondern auch der ökologische Gegensatz von Industriegebiet und Naturraum eingeebnet. Es wird ein neuer, homogener Landschaftstypus geschaffen, den man auch als suburbanisierte Landschaft bezeichnen könnte, in welcher Reste der Kulturlandschaft nur noch in künstlichen Reservaten überleben. Der Übergang zur totalen Landschaft ist daher mit einer räumlichen Entdifferenzierung, mit einer Verödung und Vereinheitlichung verbunden.

Rolf Peter Sieferle, Rückblick auf die Natur, S. 208 ff
(Hervorhebungen rab)

Das Zusammenspiel der Phänomene von Individualisierung, Globalisierung, Segregation, Suburbanisierung und Deindustrialisierung formt gegenwärtig einen neuen Typ Landschaft.

„Die Stadt ist dort, wo urban gelebt wird. Das ist fast überall. Also macht die Trennung von Stadt und Land keinen Sinn mehr.“

(Henri Bava, In: Topos 40/2002, S. 76)

 

Wird die Landschaft charakterlos? – von Zwischenräumen und Nicht-Orten

Zwischenräume oder Nicht-Orte sind Räume der individuellen Durchreise. Sie fallen selten auf und bilden eine neue unfokussierte Landschaft aus brachliegenden Räumen in städtischen Randzonen, in Vorstädten und in deindustrialisierten Gebieten (sub-)urbaner Landschaften.
Es sind undefinierbare, amorphe Räume zwischen Lagerhallen oder Einkaufszentren, in Industrieansiedlungen oder Gewerbegebieten. Sie sind banal und eigenschaftslos und besitzen eine zweifelhafte Ästhetik. Meist werden sie übersehen, da sie sich einer genauen Kategorisierung entziehen und ihr Gebrauchswert überholt ist oder nie vorhanden war.
Diese unwirtlichen Nicht-Orte am Stadtrand überformen die altbekannte Kulturlandschaft und erzeugen eine neue beliebige und wenig anspruchsvolle „Zwischenlandschaft„.

Eva Zerjatke
http://www.wasistlandschaft.de/was-ist-landschaft/zwischenstadt.html
(Hervorhebungen rab)

 

Die Übereinstimmungen im Denken über Bäume lassen auf eine gemeinsame Grundanschauung schließen. Carl Gustav Jung rechnete den Baum zu den Archetypen. Gemeint sind damit ebenjene Elementargedanken, das heißt allgemeinmenschlichen Vorstellungen, die weder aus übernommener Tradition, noch aus eigenwilliger Neuschöpfung stammen, sondern auf eine angeborene, psychogenetische Veranlagung des Menschen als Menschen zurückgehen, mithin anthropologische Qualität besitzen.
. . .

Die Funktionen des Baumes in der Kulturgeschichte wechseln mit Zeiten und Völkern.
Aufs ganze gesehen aber zeigen sich mehr Konstanten als Varianten. Ein gleichartiges Schönheitsempfinden, das sich spontan jenseits aller Belehrung oder Beeinflussung bemerkbar macht, mithin angeboren sein muß, macht sich geltend. Die Liebe zu Bäumen ist, wie die zu Flüssen und Bergen, zu Tieren und Vögeln, zu Blumen und Sternen, eine anthropologoische Konstante mit vergleichsweise schwacher Amplitude in den kulturspezifischen Abweichungen.
. . .

Begreifen wir unser Verhältnis zur Natur als Kampf gegen sie, so werden wir diesen verlieren.

Alexander Demandt, Über allen Wipfeln – Der Baum in der Kulturgeschichte, S. 282 ff
(Hervorhebungen rab)

 

Dieser Gedanke findet sich auch im Lehrbuch:

Oftmals ist daher von einer angeborenen Neigung des Menschen gesprochen worden, biologische Vielfalt zu mögen. Diese Biophilie (…) ist zu allen Zeiten und in allen Kulturen feststellbar. In früheren Kulturen mag die Liebe zu einer hohen Artenvielfalt direkt der Lebens- und Ernährungssicherheit gedient haben, heute zeigt biophiles Verhalten in einer Industriegesellschaft sicherlich die Sehnsucht nach naturnahen Lebensumständen.

Wolfgang Nentwig et al., Ökologie, S. 376

Es gibt zwei Sorten von Ratten:
Die hungrigen und die satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
die hungrigen aber wandern aus.

aus „Die Wanderratten“, Gedicht von Heinrich Heine

 


 

Hier nun eine aktuelle Studie  Wandern und Windkraftanlagen 

Deutsches Wanderinstitut e. V. / Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften

Literatur:

Diese Auswahl ist nicht repräsentativ und gibt teilweise nicht den aktuellen Diskussionsstand wieder. Ergänzungen sind willkommen. (rab)

[1]  dtv-Atlas zur Psychologie
Band 1, 5. Auflage, München 1996
Band 2, 4. Auflage, München 1995

[2]  Wilhelm Hehlmann, Wörterbuch der Psychologie, A. Kröner Verlag, Stuttgart 1974

[3]  Harold Lincke, Instinktverlust und Symbolbildung, Severin und Siedler, Berlin 1981

[4]  C. G. Jung et al. , Der Mensch und seine Symbole, 1. Auflage der Sonderausgabe,
Walter-Verlag, Olten 1979

[5]  Elliot Aronson, The Social Animal, Seventh Edition, W. H. Freeman and Company,
New York 1996

[6Konrad Lorenz , Die Rückseite des Spiegels, Piper Verlag, München 1973

[7]  Irenäus Eibl-Eibesfeldt , Der Mensch – das riskierte Wesen, 5. Auflage, Piper Verlag,
München 1993

[8] Boje Maaßen, Naturerleben, Schneider Verlag, Hohengehren, 1994

[9]  Rolf Peter Sieferle , Rückblick auf die Natur,  Luchterhand Verlag, München 1997

[10]  Wilhelm Vossenkuhl, Philosophie Basics, Piper Verlag, München 2011

[11]  Gerhard Maletzke, Kommunikationswissenschaft im Überblick, Westdeutscher Verlag,
Wiesbaden 1998

[12]  Joseph Huber , Allgemeine Umweltsoziologie, 2. Auflage,
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011

[13]  Thomas Eckes, Psychologie der Begriffe, Hogrefe Verlag für Psychologie, Göttingen 1991

[14]  Bernd Busch (Hrsg.), Jetzt ist die Landschaft ein Katalog voller Wörter,
Wallstein Verlag, Göttingen 2007

[15]  L. Steg, A. E. Van den Berg, J. I. M. De Groot , Environmental Psychology,
BPS Blackwell, Chichester 2013

[16]  Thomas Bargatzky, Einführung in die Kultur-Ökologie, Dietrich Reimer Verlag,
Berlin 1986, S. 14 ff und S. 210 ff

[17]  Bernhard Verbeek , Die Anthropologie der Umweltzerstörung, 2. Auflage,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994

[18]  Eva Zerjatke , Landschaftsarchitektur und ihre Außenpräsenz,
VDM Verlag Dr. Müller, 2008

[19]  Arnold Gehlen , Die Institutionen und die Probleme der Ethik, 1964

           Niklas Luhmann , Das Unbehagen an der Politik, der Staat und die moderne Gesellschaft, 1993

SWR2 Aula
Hörbuch, Quartino, 2007, München, Jokers edition, ISBN-978-3-86750-023-4

[20]  Alexander Demandt, Über allen Wipfeln – Der Baum in der Kulturgeschichte,
Böhlau Verlag, Köln 2002

[21]  Hansjörg Küster, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa,
Büchergilde Gutenberg / C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1995

[22]  Albrecht Lehmann, Von Menschen und Bäumen, Rowohlt Verlag, Reinbek 1999

[23]  Wolfgang Nentwig et al. , Ökologie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004

[24]  Rudolf Arnheim , Entropie und Kunst, DuMont Buchverlag, Köln 1971

[25]  Ilya Prigogine , Vom Sein und Werden, Piper Verlag, München 1979

[26]  Hermann Haken , Die Selbstorganisation komplexer Systeme, Picus Verlag, Wien 2004

[27]  Friedrich Cramer , Chaos und Ordnung, Insel Verlag, Frankfurt a. M. 1993

[28]  Karl Kraus, Die Sprache, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1987

[29] Gert Gröning, Ulfert Herlyn, (Hrsg.), Landschaftswahrnehmung und Landschaftserfahrung, LIT Verlag, Münster 1996

[30] Hans Paul Bahrdt, „Natur“ und Landschaft als kulturspezifische Deutungsmuster für
Teile unserer Außenwelt, ibid. ,  S. 163 ff

[31] Arthur Schopenhauer, Die Kunst zu beleidigen, 3. Auflg. , Verlag C. H. Beck, München 2008

 


Links:

http://www.dnd.at/data/media/abau_binary/original/1326295688.pdf

http://www.wasistlandschaft.de/was-ist-landschaft/zwischenstadt.html

http://www.wanderinstitut.de/download/charts-onlinebefragung-erneuerbar_11062014.pdf

http://www.wanderstudie.projectm.de/project-m/downloads/project-m-wanderstudie-der-deutsche-wandermarkt-2014.pdf


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